Hirse mit Gem&ä252se im KugeltopfSie sind hier: Hauptseite > Mittelalter-Recherche > ...mit allen Sinnen

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hören

Im Mittelalter gab es noch nicht das allgegenwärtige Hintergrundrauschen von Autos und die ständige Berieselung mit Musik "aus der Konserve". Jedes Geräusch hatte noch seine Bedeutung: die Hammerschläge des Schmiedes, das Bellen der Hunde, das Lachen der Kinder. Man lernte hinzuhören.
Und da hinein kam dann die Musik. Live. Vielleicht sang man selber, während der Arbeit. Vielleicht waren Spielleute zu Besuch, von denen man neue Lieder lernen konnte, die man dann selber singen konnte, wenn sie wieder weg waren.

sehen Die Beschäftigung mit dem Mittelalter verändert den Blick. Kleider, die nicht mindestens bis zum Knöchel gehen, wirken auf einmal männlich. Kleiderfarben sind nicht mehr beliebig, sondern das Ergebnis unterschiedlich komplizierter und unterschiedlich teurer Färbung. Vielleicht hat man auf dem Veranstaltungsgelände sogar gelernt, die ungefähre Zeit am Sonnenstand abzuschätzen.
fühlen Kein Buch - und kein Text im Internet - kann vermitteln, wie es sich anfühlt, handgenähte Kleidung und wendegenähte Schuhe zu tragen oder auf einer Strohmatratze zu schlafen. Das kann man nur selber erleben.
schmecken Das Mittelalter schmeckte nach Getreidebrei. Oder nach Zimt und Nelken. Je nachdem, ob man bäuerliche Alltagskost oder ein Festmahl des Adels probiert.
Kochbücher aus der Zeit gibt es ein paar. Sie überliefern eher die Küche der "Bessergestellten". Einfache Gerichte lassen sich erschließen, wenn man weiß, was für Pflanzen und Tiere es in einer bestimmten Zeit und Region überhaupt gab. Und nicht alles gab es zu jeder Zeit im Jahr, anderes mußte getrocknet oder gepökelt werden.
riechen Nicht nur das Essen riecht. Auch das frische Stroh, mit dem die Matratze gefüllt wird. Talglampen riechen anders als Bienenwachskerzen. Der Rauch des Kochfeuers setzt sich in der Kleidung fest. Manche Arbeiten haben ihren eigenen Geruch, etwa das Teerschwelen, das Herstellen von Birkenpech.

Schummeln gilt nicht. Material, das "aussieht wie...", ist vielleicht geeignet für Film und Theater. Aber nicht dazu, Geschichte zu erleben. Dazu ist es nötig, Form und Material so genau wie möglich nachzuarbeiten.

Leinenimitat zum Beispiel sieht aus wie Leinen, fühlt sich aber anders an. Die gelbe Paraffinkerze riecht nicht nach Bienenwachs, auch wenn sie so aussieht. Die Knödel aus dem Kochbeutel schmecken vielleicht wie selbstgemacht, haben aber nicht die gleiche Arbeit gemacht. Auch wenn es manchmal mühsam ist: Die richtigen Materialien lassen sich in den meisten Fällen bekommen.

Klänge werden unterschiedlich wahrgenommen, je nach dem Kontext, in dem man sie hört. Deshalb sollte eine Mittelalter-Veranstaltung den Besuchern die Möglichkeit geben, zur Ruhe zu kommen, damit sie die Geräusche um sie herum wieder bewußt wahrnehmen können. Musik sollte weniger auf oberflächliche Show-Effekte setzen und mehr in den Alltag integriert werden.

© 12. Februar 2006 Karen Thöle